Streuobstwiesen bildeten früher oftmals einen Gürtel um die Dörfer und Städte am Taunusrand und in der Wetterau. Auch hatte der Streuobstanbau im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine große Bedeutung für die Ernährung der Bevölkerung. Durch die Intensivierung der Landwirtschaft und die Ausweisung von Baugebieten wurden die Streuobstwiesen in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts stark dezimiert. Heute gehört dieser wichtige Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu den am stärksten gefährdeten Biotopen Mitteleuropas.
Seit über drei Jahrzehnten bietet der NABU Ober-Mörlen mit finanzieller Unterstützung der Gemeinde Ober-Mörlen Hochstammsetzlinge einschließlich Pfahl, Drahthose und Anbinder zum Vorzugspreis an. Voraussetzung ist, dass die Hochstämme auf Ober-Mörler Gemarkung, aber außerhalb der bebauten Ortslage auf einem nichteingezäunten Grundstück, gepflanzt werden. Die Interessenten können zwischen Äpfel, Birnen, Pflaumen, Zwetschen, Mirabellen, Süßkirschen, Quitten und Wildobst wählen. Die angebotenen Sorten, die auch heute noch traditionell im Streuobstanbau verwendet werden, entstanden zu einer Zeit, als Pflanzenschutzmittel gar nicht oder nur sehr eingeschränkt zur Verfügung standen. Sie sind daher gegenüber Krankheiten und Schädlingsbefall häufig besonders widerstandsfähig.
Die neu gesetzten Obstbäume benötigen in den ersten Jahren den Erziehungsschnitt; ältere Exemplare werden mit dem Erhaltungsschnitt gepflegt. Im Winterhalbjahr gelten etliche Einsätze der Mitglieder diesen Arbeiten auf den vereinsbetreuten Grundstücken. Das Gras wird durch Mahd oder Beweidung landwirtschaftlich genutzt; an schlecht zugänglichen Stellen greifen wir auch mal selbst zum Freischneider.
Die richtige Pflege der Obstbäume vermittelt der NABU Ober-Mörlen in seinem Streuobst-Seminar. Vormittags Theorie, nachmittags Schnittpraxis auf einer Obstwiese unter fachkundiger Anleitung. Zur Zeit findet dieser Kurs im Zwei-Jahres-Turnus abwechselnd mit dem NABU Bad Nauheim statt.
Seit vielen Jahren bemüht sich der NABU Ober-Mörlen um die Kartierung der vorhandenen Obstsorten mithilfe von Sortenkennern (Pomologen). Auf der größten vom Verein betreuten Obstwiese konnten von den etwa 100 Altbäumen inzwischen gut 80% bestimmt werden. Darunter fanden sich viele Sorten, die nicht so häufig oder nur regional verbreitet sind. Zum Beispiel Anhalter, Gestreifter Matapfel, Ruhm aus Kelsterbach, Cox Pomona und Dülmener Herbstrosenapfel. Durch Umveredeln einiger junger Bäume konnten wir weitere seltene Sorten wie den Dorheimer Streifling hinzufügen. Alles in allem stehen auf den Vereinswiesen über 70 Sorten, von denen wiederholt Früchte auf Ausstellungen gezeigt wurden.
Im September jeden Jahres ist es soweit: Die Früchte werden reif und die Ernte von Äpfeln, Birnen und Zwetschen beginnt. Das ist für Mitglieder und Freunde des Vereins nach Absprache auf den Grundstücken möglich, die von uns gepflegt werden. Das hochwertige Obst ist sehr gefragt, neben den Vereinsmitgliedern sind Keltereien in Ober-Mörlen und Nieder-Mörlen Hauptabnehmer der Äpfel.
Für die Zukunft der Streuobstwiesen ist es wichtig, die Wertschöpfung zu erhöhen. Die Kelterei und Straußwirtschaft „Rote Pumpe“ in Bad Nauheim/Nieder-Mörlen hat 2013/14 unter dem Titel "6 Richtige – Feine Apfelweine von Wetterauer Streuobstwiesen" gemeinsam mit dem NABU Ober-Mörlen und fünf weiteren Gruppen ein innovatives Projekt aus der Taufe gehoben. Die Äpfel für die sechs Lagen-Apfelweine wurden auf den von den Vereinen betreuten Streuobstwiesen gelesen. Die Gruppen erhielten dafür einen deutlich höheren Zentnerpreis als bei den Großkeltereien üblich. Geld, das wieder in die Pflege und Pflanzung von hochstämmigen Obstbäumen fließt.
Nähere Informationen bietet unser Bericht über die Präsentation der "6 Richtigen" im Juli 2014. Hier das Projekt-Faltblatt zum Herunterladen (PDF 0,7 MB).
Bereits dreimal hat der NABU Ober-Mörlen zusammen mit dem Pfarrfest der kath. Kirchengemeinde ein Kelterfest veranstaltet. Im Mittelpunkt steht dabei immer die handbetriebene Apfelpresse. Beim Erzeugen des "Süßen" helfen die Kinder tatkräftig mit. Dazu passend werden Kürbiswaffeln gebacken. Ausstellungstafeln, Beratung, Sortenpräsentationen und Spiele rund um das Thema Streuobst machen das Angebot komplett.